NEW stellt Fragen zur Tiefengeothermie – Teil 1

Nachdem die Deutsche ErdWärme GmbH & Co. KG ihr grundsätzliches Interesse an der Prüfung eines Tiefengeothermie-Kraftwerks auf dem Stadtgebiet Waghäusel in einer Sitzung des Gemeinderates vorgestellt hatte, kamen zahlreiche Fragen im Gremium und bei interessierten MitbürgerInnen auf. Die NEW hat einen Großteil dieser Fragen zusammengestellt und gebündelt an die Deutsche ErdWärme gestellt, die mit einem umfassenden Antwortkatalog reagiert hat. Auf dieser Seite finden Sie diese ausführlichen Informationen zu den Themen, die für die weiteren Gespräche und vor allem – sollte sich ein Standort als geeignet erweisen – für eine eventuelle Planung grundlegend sind: mögliche Standorte, Auswirkungen auf die Umwelt, Lärmbelastung, Energienutzung & Wirtschaftlichkeit, mögliche Risiken, steuerliche & Haftungsfragen, Infos zu vergleichbaren Projekten & Entwicklungsthemen wie der Lithiumgewinnung.

1. Welche Standorte, außer dem im Gewerbegebiet “Unterspeyerer Feld“, stehen noch in der Planung bzw. wären Alternativen?

Aus den Gesprächen, die wir mit allen Fraktionen im Stadtrat geführt haben, ging das Unterspeyerer Feld als die von der klaren Mehrheit bevorzugte Standortoption hervor. Entsprechend konzentriert sich die Planung aktuell allein auf diesen Bereich. Ein wichtiger Grund war, dass die Gemeinde hier über eigenen Grundbesitz verfügt und selbst ein Grundstück zum Verkauf oder zur Pacht anbieten könnte. Das Unterspeyerer Feld ist noch kein Gewerbegebiet, sondern wird lediglich als Option für die Ausdehnung der bestehenden Gewerbefläche vorgehalten. Alternativen böten sich weiter südlich. Dadurch würde sich der Abstand zum Neubaugebiet verringern und bei einem Großteil der dortigen Flächen handelt es sich um FFH-Gebiet. Eine weitere Option böte sich in dem von den Bürgern als Naherholungsgebiet genutzten Wald zwischen den drei Ortsteilen.

2. Warum muss dieses Kraftwerk so nah an der Wohnbebauung gebaut werden? Kann dies nicht weiter außerhalb gebaut werden?

Der Standort von Erdwärmeanlagen an der Oberfläche hängt von der Lage des jeweiligen Thermalwasserreservoirs im Untergrund und seiner Erreichbarkeit durch die Bohrungen ab. In dem durch diese Vorbedingungen gegebenen Umkreis von ca. 1 km zu den Bohrzielen im Untergrund werden bereits für eine bestimmte Nutzung festgelegte Flächen wie Wohn-, Wasser- oder Naturschutzgebiete als Standorte ausgeschlossen. Am Ende ergeben sich meist nur wenige Standortoptionen. Innerhalb des Unterspeyerer Feldes ist ein weiter westlich gelegener Standort denkbar, der etwas weiter entfernt von der Wohnbebauung liegen würde. Die Eigentumsverhältnisse gestalten sich dort jedoch so, dass die Stadt selbst nicht von einem Grundstücksverkauf oder seiner Verpachtung profitieren könnte.

3. Mit welchem Schallleistungspegel (LWA) in dB muss während der Bau- und Betriebsphase gerechnet werden?

Der Schallleistungspegel bezieht sich auf die Emissionswerte der Lärmquellen direkt, also ohne Abstände, Dämpfungswirkung der Luft etc. Dieser Wert wird meist von den Geräteherstellern angegeben, weil bei der Produktion nicht absehbar ist, wo und unter welchen Randbedingungen die Maschinen zum Einsatz kommen. In der Bau- und auch der Betriebsphase sind verschiedene Geräte/Maschinen im Einsatz. Deren Werte müssten wir zunächst bei den Subunternehmen abfragen.

Wenn Sie eine Einschätzung haben wollen, mit welcher Lärmbelästigung Anwohner und Passanten gegebenenfalls zu rechnen haben, sind die Werte des Schalldruckpegels aussagekräftiger. Sie geben das Lärmniveau am Standort des Betrachters an. Hier ein Video, dass den Unterschied zwischen Schallleistungs- und Schalldruckpegel erklärt: https://www.youtube.com/watch?v=wXiKs_Y6P_0

Messlatte für eine mögliche Lärmbelästigung im Betrieb ist die TA Lärm. Sie dokumentiert und reguliert Lärm von Erdwärmeanlagen mit klaren Werten (nach dem Schalldruckpegel) für die Zulässigkeit. Dies bedeutet, dass die Lärmemissionen, die für die verschiedenen Typen der Siedlungsgebiete geltenden Richtwerte nicht überschreiten dürfen. Auf dem Betriebsgelände selbst dürfen wir 70 dB erreichen. Auf benachbarten Gewerbegebieten dürften von der Anlage stammende Geräusche tagsüber mit maximal 65 dB und nachts mit maximal 50 dB wahrnehmbar sein. Die Grenzwerte werden mit zunehmender Wohndichte niedriger. In reinen Wohngebieten dürfen die von der Anlage stammenden Geräuschemissionen Werte von 50 dB tagsüber und 35 dB nachts nicht überschreiten.

Für die Bohrung und die Bauphase gelten die Grenzwerte der „Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm“ die jedoch mit den Grenzwerten der TA Lärm identisch sind. In reinen Wohngebieten dürfen die von einer Baustelle stammenden Geräuschemissionen Werte von 50 dB tagsüber und 35 dB nachts nicht überschreiten. Zur besseren Orientierung hier eine Vergleichstabelle:

Die IG führt gerne Videos von Anlagen vor, um einen gewissen Grad der Lärmbelästigung zu demonstrieren. Keines dieser Videos zeigt Kraftwerke, bei denen Turbine, Generator, Abdampfleitung, der Pumpenmotor und die Betriebsmittelpumpen ober Tage in eine schalldämmende Kapselung eingebaut sind, so wie es von uns geplant ist. Auch gezeigte Aufnahmen von Lüftungsanlagen vermitteln ein falsches Bild, da sie nicht vor der installierten Schallschutzwand, sondern direkt vor den Anlagen aufgenommen wurden. Und selbst diese Anlagen erfüllen die Grenzwerte der TA Lärm, da sie ansonsten nicht betrieben werden dürften. Hier die Grenzwerte noch einmal im Überblick:

• in Industriegebieten 70 dB(A)

• in Gewerbegebieten tags 65 dB(A), nachts 50 dB(A)

• in Kerngebieten, Dorfgebieten und Mischgebieten tags 60 dB(A), nachts 45 dB(A)

• in allgemeinen Wohngebieten und Kleinsiedlungsgebieten tags 55 dB(A), nachts 40 dB(A)

• in reinen Wohngebieten tags 50 dB(A) nachts 35 dB(A)

• in Kurgebieten, für Krankenh user und Pflegeanstalten tags 45 dB(A), nachts 35 dB(A)

dB(A) = Maßeinheit des Schalldruckpegels

4. Konkrete Konzepte / Realisierungsmöglichkeiten zur Nutzung der Energie

Die Erdwärmeanlage bietet zwei Möglichkeiten die gewonnene Energie zu nutzen. Zum einen als Wärme zum Heizen und Kühlen oder für industrielle Zwecke, zum anderen zur Stromerzeugung. Die Stromerzeugung ist sofort nach Inbetriebnahme der Anlage möglich, der Strom kann direkt ins Netz eingespeist werden. Unabhängig vom Wirkungsgrad, der in der folgenden Frage thematisiert wird, ist die Stromerzeugung aus Erdwärme in jedem Fall klimafreundlich, da sie Strom aus fossilen Energiequellen ersetzt. Um die Wärme zum Heizen zu nutzen, benötigt Waghäusel ein Wärmenetz. Da Waghäusel als große Kreisstadt jedoch zu einer Wärmeplanung verpflichtet ist, mit dem Ziel seinen Wärmebedarf zu decarbonisieren, ist davon auszugehen, dass mittelfristig der Aufbau eines Wärmenetzes angeschoben wird. Dafür braucht es Wärmequellen. Unser Konzept sieht vor, dass wir Strom erzeugen, bis ein Wärmenetz vorhanden ist. Gewerbliche oder größere öffentliche Wärmekunden wie Schulen, Rathaus, Kindergärten, Schwimmbäder etc. können über mobile Wärmelieferungen von Anfang an bedient werden.

5. Konkrete Berechnungen zu Ertrag und Wirkungsgrad der Anlage

Genaue Ertragswerte können wir erst angeben, wenn alle Parameter zu deren Berechnung bekannt sind. Näherungswerte lassen sich aus den Erfahrungswerten anderer Bohrungen und Anlagen ableiten. Wir erwarten eine Leistung von rund 40 MWth (thermische Leistung). Der Wirkungsgrad von etwa 15 Prozent in der Stromproduktion ergibt eine elektrische Leistung von 6 MWel. Mittelfristig soll der Schwerpunkt des Anlagenbetriebs auf der Bereitstellung von Wärme zum Heizen liegen. Hier liegt der Wirkungsgrad bei 95 Prozent. Die Stromerzeugung dient dann der Steigerung der Anlagenauslastung. Sie wird hochgefahren, wenn wie im Sommer weniger Wärme nachgefragt wird. Eine entscheidende Größe für die Berechnung des Ertrags ist die Anzahl der Volllaststunden, die eine Anlage leisten kann. Hier liegt eine der großen Stärken der Geothermie, die, abgesehen von wenigen Wartungstagen, das ganze Jahr zuverlässig Strom liefert (über 8.000 Vollaststunden im Jahr). D. h. die Erdwärmeanlage mit der oben genannten Leistung von 6 MW, könnte mehr als 48.000 MWh Strom pro Jahr produzieren. Die durchschnittliche erreichte Anzahl der Volllaststunden von Wind- und Solarenergie in Baden-Württemberg liegt laut Statistik des Umweltministeriums BW über die erneuerbaren Energien 2020 bei 1.900 (Wind) und 920 (Solar). Um eine entsprechende Menge Strom mit Windkraft zu erzeugen, bräuchte man in BW sieben bis acht moderne Windkraftanlagen mit einer Leistung von 3,3 MW. Dieser stünde jedoch nicht kontinuierlich über das ganze Jahr Verfügung, sondern wird nur dann erzeugt, wenn der Wind weht. Darüber hinaus spielen auch die Kosten und Folgekosten der Ressource eine entscheidende Rolle, um eine Technologie zu bewerten. Die für einen sinnvollen Vergleich der Technologien relevante Größe sind die Stromgestehungskosten (LCOE):

https://www.ise.fraunhofer.de/content/dam/ise/de/documents/publications/studies/

Im einem Fall muss eine Ressource aufwendig z. B. im Kohlebergbau zutage gefördert werden, ist endlich und erzeugt erhebliche Folgekosten (von Gesundheitsschäden bis zum Klimawandel). Im anderen Fall ist die Ressource kostenlos, unendlich verfügbar und hat nur das Recycling bzw. den Rückbau der Anlagen als Folgekosten. Wikipedia bietet in seinem Artikel zu den Stromgestehungskosten einen Vergleich verschiedener Energieformen: https://de.wikipedia.org/wiki/Stromgestehungskosten

6. Subventionsunabhängige Wirtschaftlichkeitsberechnungen der Anlage

Das Projekt ist rein privatwirtschaftlich finanziert. Sobald die Anlage in Betrieb geht, erhalten wir für den produzierten Strom – wie alle anderen erneuerbaren Energien auch – die gesetzlich festgelegte EEG-Umlage. Die Einspeisevergütung von 25 Cent liegt deutlich unter den 50 Cent, die früher für Wind- und Solarenergie gezahlt wurden.

„Aktuell liegen die zugesicherten Vergütungen für viele neue Anlagen im Rahmen der Auktionen im Bereich der zukünftig zu erwartenden Börsenpreise, sodass diese Vergütungen mehr die Planungssicherheit der Investoren erhöhen (feste Einnahmen, auch wenn der Strompreis fallen sollte), als die zu erwartende Gewinnmarge der Anlagenbetreiber erhöhen. Dies bedeutet, dass neue EEG-Anlagen das EEG-Konto nur sehr geringfügig belasten werden.“ (Quelle: Forschungsgesellschaft für Energiewirtschaft mbH https://www.ffegmbh.de/aktuelles/veroeffentlichungenund-fachvortraege/971-infografik-wie-funktioniert-die-eeg-umlage)

Die Stromerzeugung aus Erdwärme wäre zum heutigen Zeitpunkt in Deutschland ohne das EEG nicht wirtschaftlich. Bei voller Einpreisung der CO2 Kosten bei Strom und Wärme oder durch den Abbau der Subventionen für fossile Energieträger könnte Erdwärme bereits heute im wirtschaftlichen Wettbewerb bestehen. Vorteile wie nicht benötigte Speichermedien, die kurzen Transportwege und die CO2-freie Erzeugung würden die Attraktivität von Erdwärme als regionale Energie- und Wärmequellezusätzlich erhöhen.

„Mit jährlich mindestens 37 Milliarden Euro wird der Verbrauch klimaschädlicher Brennstoffe begünstig. Das wären mehr als 400 Euro pro Einwohner. Für Flugbenzin gibt es Steuererleichterungen von 12,5 Milliarden Euro, durch das Dieselprivileg lässt sich der Fiskus 11,5 Milliarden entgehen. Die energie-intensive Industrie bekommt außerdem per annum 5,4 Milliarden Euro von den anderen Stromverbrauchern geschenkt.“ (Quelle: https://www.heise.de/tp/features/Oel-und-Kohle-Subventionenohne-Ende-4879159.html?seite=all)

7. Gibt es Risikoabschätzungen, -berechnungen?

Eine Abwägung der möglichen Risiken für die Umwelt (Mensch, Natur) wird im Rahmen der Umweltverträglichkeitsvorprüfung getroffen. Diese bezieht sich immer auf einen konkreten Standort und wird in Auftrag gegeben, wenn wir uns mit der Stadt auf ein Grundstück verständigt haben. Eine eigene seismische Gefährdungsstudie für den Standort Waghäusel wird dann durchgeführt, wenn klar ist, dass ein Projekt formell durchführbar ist. Auch hier spielt unter anderem die Frage, ob man sich auf einen Standort verständigen kann und an welcher Stelle ein Reservoir mit den Bohrungen tatsächlich erschlossen werden soll, eine Rolle. Die seismische Gefährdungsstudie für das Projekt in Graben-Neudorf, das ähnliche Bedingungen aufweist wie das in Waghäusel, kam zu folgendem Schluss: „Es wird nicht erwartet, dass durch die Erschließung und den Betrieb der geothermischen Anlage am Standort Graben-Neudorf spürbare oder schadensrelevante Seismizität verursacht wird.“

Das Umweltbundesamt und die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe beurteilten die seismischen Risiken der Geothermie wie folgt: „Die maximale Stärke von induzierten seismischen Ereignissen ist in der Geothermie deutlich niedriger als bei vielen weiteren Bergbauaktivitäten. Die Risiken sind bei Beachtung der in der Genehmigung festgelegten Vorsichtsmaßnahmen weder wahrscheinlich noch schwerwiegend.“ Quelle:

https://www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/tiefe-geothermieumweltrisiken-

8. Wo wird der Stammsitz der gegründeten Gesellschaft sein? In Waghäusel oder beim Firmensitz in Grünwald?

Wo die verwaltungsrechtlichen Firmensitze der einzelnen Kraftwerksgesellschaften liegen werden, wie zum Beispiel der des Projekts Waghäusel, wird Bestandteil der Gespräche mit den Standortgemeinden, sobald Gewissheit besteht, dass eine Anlage tatsächlich gebaut werden kann. Dies ist frühestens nach Abschluss der zweiten Bohrung und erfolgreichem Zirkulationstest der Fall. Sollte der eigentliche Grund hinter der Frage des Firmensitzes die Frage nach dem zu erwartenden Gewerbesteueranteil sein, können wir Ihnen mitteilen, dass nach unserem Verständnis und unabhängig der künftigen Eigentumsverhältnisse und Sitze der Kraftwerksgesellschaften durch § 29 Gewerbesteuergesetz sichergestellt ist, dass die Standortgemeinden mit mindestens 70 % der Gewerbesteuereinnahmen rechnen können.

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